Zeugs was Bürgermeisterkandidaten sagen - Teil 1
TL;DR: Ein 14-tägiges Blättle wäre ganz nett... löst das eigentliche Problem aber nicht. Verwendet endlich die Möglichkeiten welche das 21. Jahrhundert anbietet.
Zur Auffrischung:
Es geht um diese Artikel im Kreisboten.
Inhaltsverzeichnis
Das Problem und die Nicht-Lösung
Klar ist ein Interview und der daraus resultierende Artikel in z.B. einer Zeitung nie perfekt.
Allerdings ist Christian Briendl's Plan (die Wiedereinführung des 14-tägigen Blättles) nicht eine Lösung für die (korrekt erkannten) Kommunikationsprobleme. Die gibt es tatsächlich. Merkte ich selbst wenn ich eine Entscheidung des Gemeinderates irgendjemanden erklären muss obwohl doch die Informationen eigentlich öffentlich sind.
Immerhin hat Christian da ein "unter anderem" untergebracht hat um evtl. zusätzliche Schritte nicht auszuschließen.
Die "engmaschigere Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern" wird keineswegs durch ein häufigeres Erscheinen des Blättles erreicht.
Nicht wie, sondern was
Verbesserungsbedürftig ist vor allem was kommuniziert wird. Erst danach kommt wie kommuniziert wird.
Wenn die Kommunikation über Ereignisse und Entscheidungen der Gemeinde verbessert werden soll... warum dann nicht beim Gemeinderat ansetzen? Dort werden praktisch alle wichtigen Entscheidungen getroffen - so will es das Gesetz.
Wer hat schon einmal ein öffentliches Sitzungsprotokoll gelesen? Wer weiß, wo die Protokolle eingesehen werden können?
Wo kann man nachsehen wann welche Entscheidung getroffen wurde? Wie viele Gegenstimmen gab es? Wann welche Auftragsvergaben erfolgt sind und an wen?
Wie oft wurde über das Baugebiet Mühlenbauer gesprochen? Wie oft über den Supermarkt? Die Wasserversorgung? Die Schule und Kindergärten?
Ausflug in die Bürokratie
Die öffentlichen Protokolle sind für Gemeindebürger*innen im Rathaus einsehbar. Auf Papier. Viel Spaß beim Lesen und Suchen - während der Öffnungszeiten. Für Kopien können Kosten anfallen - aber immerhin kann dann daheim weitergelesen werden.
Das mit dem Papier im Rathaus und was in den öffentlichen Protokollen steht ist gesetzlich geregelt. Die Mindestanforderung ist, dass die Tagesordnung ersichtlich ist und wie über einzelne Punkte abgestimmt wurde. Also nur wie viele Ja- und wie viele Nein-Stimmen. Wer anwesend war steht auch drin.
Wer wie abgestimmt hat, ob es (mehr oder weniger) sinnvolle Wortmeldungen gab, was deren Inhalt war etc. ... Nichts davon muss im Protokoll vermerkt werden.
Gemeinderäte können auf Antrag verlangen, dass im Protokoll vermerkt wird wie sie abgestimmt haben. Habe ich auch schon gemacht. Das ist auch schon das höchste der Gefühle seitens des Gesetzes.
In der Geschäftsordnung des Gemeinderates können Regelungen festgelegt werden die über das gesetzliche Mindestmaß hinaus gehen. Dort muss angesetzt werden!
Aufbruch ins 21. Jahrhundert
Die jetzige Version der Geschäftsordnung wurde wahrscheinlich noch auf einer mechanischen Schreibmaschine getippt.
Mal angenommen folgende Änderungen der Geschäftsordnung werden vorgenommen:
1. Veröffentlichung der Protokolle auf der Homepage der Gemeinde. In suchbarer Form d.h. nicht nur eine Liste von PDF Dateien.
2. Präsentationen und anderes zusätzliches Material wird ebenfalls veröffentlicht - solange datenschutzrechtliche Gründe nicht dagegen sprechen (trifft z.B. wahrscheinlich auf Teile von Bauanträgen zu). Tatsächlich sind da oft Präsentationen mit sehr nützlichen Inhalten - die aber "verloren" gehen, da sie nicht Teil des Protokolls sind.
3. Bei "kritischen" Tagesordnungspunkten z.B. Baugebieten, Supermärkten etc. wird das Protokoll ausführlicher. Nicht ein Wortprotokoll aber doch kurze Zusammenfassung der Diskussion unter den Gemeinderät*innen.
4. Regelmäßige Bewertung (z.B. durch die drei Bürgermeister) welche Teile der nicht-öffentlichen Protokolle nachträglich veröffentlicht werden können. Das Veröffentlichen ursprünglich nicht-öffentlicher Teile von Protokollen ist unter Umständen möglich falls z.B. der Grund der Geheimhaltung weg fällt. Wird z.B. bei der Bekanntgabe von Auftragsvergaben heute schon gemacht.
5. Videoaufzeichnung der Sitzungen und Bereitstellung über das Internet. Das ist gesetzlich seit Dezember 2024 möglich. Für sechs Wochen oder bis zur nächsten Sitzung würde die Aufzeichnung z.B. auf der Homepage der Gemeinde bereitgestellt werden. Tonaufnahmen könnten auch die Erstellung eines Protokolls erleichtern. Ggf. wird hierdurch die Notwendigkeit eines ausführlicheren Protokolls abgeschwächt.
6. Bürgerversammlung ebenfalls online übertragen inkl. der Möglichkeit online Fragen zu stellen. Das wurde sogar in Haldenwang schon ein einziges Mal gemacht: während der Corona-Pandemie.
Punkte 1-4 ermöglichen es nachzuforschen z.B. wann denn über das Feuerwehrhaus in Börwang gesprochen wurde, welche Entschlüsse gefasst wurden und welche Diskussionen stattfanden. Die Bringschuld ist damit genüge getan... Bürger*innen haben dann trotzdem eine Holschuld: jemand muss die Protokolle dann auch lesen.
Punkte 4-6 würde es wesentlich mehr Bürger*innen ermöglichen mitzuerleben was in einer Gemeinderatssitzung bzw. Bürgerversammlungen gesprochen wurde und von wem. Keine Babysitter? Beruflich unterwegs? Gerade kein Bock aber morgen wäre Motivation da? Kein Problem!
14-tägliches Blättle... jo, kann man machen
... und ja, das Blättle wird nicht nur zur Kommunikation der Gemeinde an die Bürger*innen verwendet - auch z.B. Vereine nutzen das Blättle. Trotz der MeinOrt App kann ich den Vorteil eines 14-tägigen Blättles nicht abstreiten.
Der Grund auf ein vierwöchiges Erscheinen umzuschwenken war der Arbeitsaufwand den die Gemeindeverwaltung mit jeder Ausgabe des Blättles hat. Bei einer unterbesetzten Verwaltung ist das nach wie vor ein Argument.
Ob ein neuer Bürgermeister in der Verwaltung andere Prioritäten setzt oder sich die Situation in der Verwaltung so ändert, dass der Arbeitsaufwand akzeptabel wäre, wird sich zeigen.
Von Ingo Schubert